Was sich in der Bildungspolitik ändern muss!?

Unter der Moderation der SPD-Landtagsabgeordneten Kerstin Geis wurde in der Mensa der Gesamtschule Kelsterbach (IGS) über die Zukunft der Bildungslandschaft Schule in Hessen diskutiert. Eingeladen hatte Dr. Martin Gräfe von der den Sozialdemokraten nahestehenden Friedrich-Ebert-Stiftung in Hessen. „Quo vadis Schule?“ Die Frage war am Ende der zweistündigen hochinteressanten Veranstaltung zwar gestellt, final beantwortet wurde sie nicht.

Wie auch. Kann sie nicht, denn an der Bildung scheiden sich die Geister. Und Bildung ist in hohem Maße eine Frage des Standpunktes (Geis), folglich ein heißes Politikum. Aber ganz nach Ovid: ut desint vires, tarnen est laudanda voluntas (wenn auch die Kräfte fehlen, so ist doch der Wille zu loben). Und trotz anstehenden Wahlkampfs in Hessen kommt auch die Bildungspolitik immer ein Stück voran. Je nach Sichtweise. Nach einem einleitenden Fachvortrag von Kerstin Geis, die sich als ausgewiesene Expertin in der Schulpolitik des Landes erwies, nahmen unter ihrer Moderation Landrat Thomas Will, Bürgermeister Manfred Ockel und die Schulleiterin der Integrierten Gesamtschule Kelsterbach Barbara Jühe Stellung.

Die Ausgangssituation
2014 setzte die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag einen dringlichen Antrag zur Schul- und Bildungspolitik auf die Agenda. Eine Enquetekommission, interfraktionell und mit zahlreichen Hochschulexperten besetzt, wälzte dann über vier Jahre den riesigen Komplex bezüglich Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen hin und her. Gelebte Dialektik, parteipolitisch verbrämt. Dabei klingt doch das hehre Ziel des SPD-Antrags, und zwar „Kein Kind zurücklassen“ in Sachen Schule und Bildung auf dem noch jungen Lebensweg, sehr klar und eindeutig. Bildung als Kern demokratischen Wesens und Handelns. „Bildung ist ein wichtiger Schlüssel zur Teilhabe an einem selbstbestimmten Leben“, formulierte die Landes-SPD 2014. 15 Punkte und somit Arbeitsaufträge erhielt die Enquetekommission. Das vielfältige hessische Schulsystem mit seinen elf unterschiedlichen Schulformen soll auf seine Funktionstüchtigkeit überprüft und weiterentwickelt (evaluiert) werden.

Dabei soll der demografische Wandel mit einbezogen werden, auch in den ländlichen Regionen sollen die Bildungschancen erhalten bleiben. Es gelte, zudem die familiären und gesellschaftlichen Voraussetzungen für Bildung stärker zu berücksichtigen. Dazu gehörten Alleinerziehung, Nichtdeutsche und auch soziale Voraussetzungen. Die, so Kerstin Geis, seien gewichtiger für einen Bildungserfolg als ein möglicher Migrationshintergrund. Die wirtschaftliche und soziale Lage entscheide in Deutschland stärker als anderswo über den Schul- und Lebenserfolg mit.

Zu prüfen sei, so die Landtagstags-SPD, wie Integration in das spätere Erwerbs- und Berufsleben durch die Schule unterstützt werden könne. Dazu gehörten verlässliche Nachmittagsbetreuung, damit auch die in bildungsfernen Familien aufgewachsenen Schüler eine Chance auf einen guten Schulabschluss erhielten. Die Inklusion, also die Beschulung gehandicapter Schüler in der Regelschule, sei auf ihre Notwendigkeit und Machbarkeit zu prüfen. Einen großen Wert legt die SPD auf die Lehrer-Aus- und Fortbildung. Auch die Schulaufsicht müsse einbezogen werden. Kinder und Jugendliche müssten gut vor Gewalt und sexuellem Missbrauch geschützt werden. Als große Aufgaben stünden die Blöcke Digitalisierung der Schule und Beschulung und Betreuung der Flüchtlinge auf dem Programm, das das Land Hessen vor allem auch aktiv annehmen solle. Nicht zuletzt, so auch die Forderung der Podiumsakteure Geis, Will und Ockel, solle das Land Hessen nicht nur halbherzig die Finanzierung der gewaltigen aber für die Demokratie wichtigen Bildung gewährleisten.

Die Frage nach der Konsequenz
„Die Landtagsabgeordneten der Fraktionen waren enorm fleißig gewesen, aber was passiert jetzt mit den ganzen Ergebnissen und Auswertungen, die auch das Statistische Landesamt Hessen zusammengetragen hat“, fragte der ehemalige Schulleiter der IGS Alfred Harnischfeger abschließend. „Wir wie auch die anderen Fraktionen im Landtag werden die Ergebnisse der Studie in die jeweiligen Programme zur Landtagswahl 2018 in Hessen einfügen“, erläuterte Kerstin Geis. Neben der Frage, wieviel Risikokinder eine Schule wie die in Kelsterbach vertrage, fragte der ehemalige Lehrer Harald Freiling provokativ nach dem „Schulfrieden“, und wie dieser aus der Ausarbeitung der Enquetekommission hervorgehen solle. Kerstin Geis sagte, klare Forderung müssten eine verbesserte Lehrerzuweisung für die Schulen sein, eine deutliche Anerkennung der Gesamtschulen, die eine enorme Integrationsarbeit für die Gesellschaft übernehmen, eine deutlich bessere Finanzierung von Schule und Bildung als bisher. Landrat Thomas Will forderte ein Sonderprogramm für die Schulen in Ballungszentren, dort sei der Migrationsanteil der Schüler enorm hoch. Zudem, so Konsens dieses Abends, müsse die sozialpädagogische Betreuung an den Schulen vorangetrieben werden, die Jugendämter könnten „am Anschlag“ Vieles nicht mehr leisten. Daher sei eine deutliche Stärkung der Jugendhilfe nötig, sagte Will. Insgesamt, so Kerstin Geis, habe die gegenwärtige Landesregierung die Schul- und Bildungspolitik der zurückliegenden Jahre zu verantworten, und sicherlich nicht die aus ihrer Sicht richtigen und wichtigen Akzente gesetzt hat.

Weitere Statements
Kelsterbach habe rund 1.500 Schüler bei einer Migrantenquote von 60 Prozent, sagte Bürgermeister Manfred Ockel. Auch die Zuwanderung aus Osteuropa sei zu stemmen. Kelsterbach reagiere darauf mit notwendigen Schulneubauten und Erweiterungen. Man versuche, Ganztagsbetreuung, moderne Pädagogik, Inklusion und mehr zusammen zu bringen. Leider fühle sich der Schulträger bei der notwendigen Finanzierung der Bauten ziemlich allein gelassen. Landrat Thomas Will sieht eine zu geringe Verzahnung von Kindergarten und Schule. Es fehle eine landesweite Grundlage für die Bildung und ein deutliches Ja zur Ganztagsschule. Auch die Besoldungsunterschiede zwischen Erziehung, Grundschule und Gymnasium seien zu beheben.

Zudem, so Will, sollten sich die Gymnasien als Schulform künftig auch verstärkt an der „Querversetzungsproblematik“ und der Thematik „Inklusion“ beteiligen.

Erschienen am 13.04.2018 in Kelsterbach Aktuell
Autor: hb

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